Venba - Wenn Kochen zur emotionalen Zeitreise wird
Ein atmosphärischer Indie-Titel über Familie, Tradition und die verbindende Kraft des Essens
Was macht Heimat aus? Diese Frage stellt sich unweigerlich beim Spielen von Venba, dem Debut-Titel des kanadischen Entwicklerstudios Visai Games. In diesem narrativen Kochspiel schlüpfen wir in die Rolle einer indischen Immigrantin, die in den 1980er Jahren nach Kanada auswandert und versucht, durch traditionelle Gerichte die Verbindung zu ihren Wurzeln aufrechtzuerhalten.
Gameplay: Mehr als nur Kochen
Anders als in hektischen Cooking-Simulationen wie Overcooked geht es in Venba um die meditative Komponente des Kochens. Jedes Rezept ist ein kleines Puzzle, bei dem wir teilweise verblasste Kochanleitungen interpretieren und durch logisches Denken die richtige Reihenfolge der Arbeitsschritte herausfinden müssen. Die Touch-Mechaniken sind dabei intuitiv gestaltet – wir schneiden, rühren und kneten mit natürlich wirkenden Bewegungen.
Besonders gelungen ist die Authentizität der dargestellten südindischen Küche. Von Idli über Dosa bis hin zu verschiedenen Curry-Variationen – jedes Gericht ist nicht nur detailgetreu umgesetzt, sondern wird auch kulturell eingeordnet. Die Entwickler haben sichtbar viel Recherchearbeit in die korrekte Darstellung der tamilischen Kochkunst gesteckt.
Narrative Finesse
Die eigentliche Stärke des Spiels liegt in seiner Geschichte. Zwischen den Kochsequenzen entfaltet sich eine bewegende Erzählung über kulturelle Identität, Generationenkonflikte und die Schwierigkeit, Traditionen in einer neuen Heimat zu bewahren. Die Dialoge sind nuanciert geschrieben und vermeiden dabei klischeehafte Darstellungen.
Besonders eindrucksvoll ist die Art, wie das Spiel Themen wie Entwurzelung und Assimilation behandelt. Wenn der teenage-Sohn der Protagonistin beispielsweise Pizza der traditionellen Küche vorzieht, spürt man als Spieler förmlich den inneren Konflikt der Mutter. Diese Momente werden nie mit erhobenem Zeigefinger präsentiert, sondern fügen sich organisch in die Handlung ein.
Audiovisuelle Präsentation
Der handgezeichnete Kunststil erinnert an hochwertige Animationsfilme und unterstützt die emotionale Tiefe der Geschichte. Die Charaktere sind ausdrucksstark animiert, während die Farbpalette geschickt zwischen warmen, nostalgischen Tönen und kühleren Gegenwarts-Szenen wechselt.
Der Soundtrack von Vishnu Vijay verdient besondere Erwähnung. Die Verschmelzung traditioneller südindischer Instrumente mit modernen Arrangements schafft eine atmosphärische Klangkulisse, die die verschiedenen Zeitebenen des Spiels gekonnt verbindet.
Kritische Anmerkungen
Mit einer Spielzeit von etwa drei Stunden fällt Venba recht kurz aus. Auch wenn diese Länge der Geschichte angemessen ist, hätte man sich als Spieler durchaus mehr Rezepte und Narrative Branches gewünscht. Zudem sind einige der Puzzle-Elemente in den Rezepten gelegentlich etwas zu kryptisch geraten, was zu Trial-and-Error-Momenten führen kann.
Fazit
Venba ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Videospiele kulturelle Geschichten erzählen können. Es ist ein intimes Portrait einer Immigrantenfamilie, verpackt in ein zugängliches Spielkonzept. Die Kombination aus kulinarischen Puzzle-Elementen und einer emotional tiefgründigen Geschichte macht es zu einem der interessantesten Indie-Titel des Jahres.
Wertung: 8.5/10
Pro:
- Innovative Verschmelzung von Gameplay und Storytelling
- Authentische Darstellung der südindischen Kultur
- Hervorragende audiovisuelle Präsentation
- Emotionale Tiefe ohne Kitsch
Contra:
- Relativ kurze Spielzeit
- Einzelne Puzzle können frustrierend sein
- Wenig Wiederspielwert
Spielenswert für: Fans narrativer Adventures, Kulturinteressierte, Hobby-Köche und alle, die nach einer anderen Art von Spielerfahrung suchen.
Insider-Tipp: Nehmt euch Zeit für die optionalen Gespräche zwischen den Kochsequenzen – sie enthalten nicht nur wichtige kulturelle Kontextinformationen, sondern offenbaren auch subtile charakterliche Entwicklungen, die zum Verständnis der Gesamtgeschichte beitragen.