Avowed im Test: Ein faszinierendes Fantasy-Abenteuer mit Licht und Schatten

In den verschneiten Bergpässen und dichten Wäldern von Eora musste ich mir oft eingestehen: Obsidians neustes Rollenspiel hat es geschafft, mich komplett in seinen Bann zu ziehen.

Avowed im Test: Ein faszinierendes Fantasy-Abenteuer mit Licht und Schatten
Photo by Robert Lukeman / Unsplash

Nach unzähligen Stunden in dieser lebendigen Welt voller Konflikte, Geheimnisse und magischer Wunder kann ich sagen: Avowed ist ein ambitioniertes RPG, das trotz einiger Schwächen Fantasy-Fans begeistern wird. Aber ist es auch das Spiel, auf das du gewartet hast? Lass mich dich mitnehmen in die Welt von Avowed und gemeinsam herausfinden, ob dieses Abenteuer deine Zeit wert ist.

Eine Welt voller Konflikte: Die Geschichte von Avowed

Avowed spielt im Living Lands-Archipel, einer bisher unerforschten Region in der von den Pillars of Eternity-Spielen bekannten Welt Eora. Als Gesandter des Aedyrischen Reiches wirst du in diese umkämpfte Region geschickt, um eine geheimnisvolle Seuche zu untersuchen, die immer mehr Opfer fordert. Schnell stellst du fest, dass hinter der Krankheit mehr steckt – politische Intrigen, religiöse Konflikte und uralte Mächte verweben sich zu einer komplexen Erzählung.

Was Avowed besonders gut gelingt, ist die Erschaffung einer Welt, in der deine Entscheidungen tatsächlich Gewicht haben. Die Fraktionen – vom indigenen Stammesverbund der Huana über die Kolonialisten aus dem Dyrwald bis hin zu mysteriösen Kultisten – reagieren glaubhaft auf deine Handlungen. Ich war beeindruckt, wie viele verschiedene Lösungswege für die meisten Quests zur Verfügung stehen und wie meine Entscheidungen spätere Begegnungen beeinflussten.

Die Hauptgeschichte selbst ist zwar nicht revolutionär, aber exzellent geschrieben und voller überraschender Wendungen. Besonders die Charaktere, die dich auf deiner Reise begleiten, bleiben im Gedächtnis. Mit sechs möglichen Gefährten, die alle eigene Quests und Persönlichkeiten mitbringen, gibt es viel zu entdecken. Mein persönlicher Favorit war Giatta, eine sarkastische Magierin, deren trockener Humor auch in den düstersten Situationen für Lacher sorgte.

Kampf, Magie und Erkundung: Das Gameplay

Der erste Eindruck von Avoweds Kampfsystem war für mich gemischt. Die Kombination aus Nahkampfwaffen in der rechten und Magie oder Schilden in der linken Hand erinnert zunächst stark an Skyrim. Doch je tiefer ich in die Mechaniken eintauchte, desto mehr offenbarte sich die Komplexität des Systems.

Anders als in Skyrim gibt es hier ein ausgeklügeltes Klassensystem mit fünf Grundrichtungen, die du beliebig kombinieren kannst:

  1. Krieger – Spezialisiert auf verschiedene Waffengattungen und physische Stärke
  2. Magier – Beherrscht elementare und geistige Magie
  3. Schurke – Konzentriert sich auf Heimlichkeit, Präzisionsangriffe und Gift
  4. Priester – Nutzt göttliche Magie für Heilung und Unterstützung
  5. Waldläufer – Experte für Fernkampf und Überleben in der Wildnis

Die Talentbäume sind erfreulich umfangreich und erlauben kreative Build-Kombinationen. Mein Magier-Waldläufer konnte Gegner mit Fernangriffen schwächen, bevor er sie mit mächtigen Feuerzaubern erledigte – ein unglaublich befriedigender Spielstil.

Das Kampfsystem selbst ist deutlich taktischer als es auf den ersten Blick erscheint. Die verschiedenen Gegnertypen erfordern unterschiedliche Herangehensweisen, und das Parieren, Ausweichen und das richtige Timing spielen eine wichtige Rolle. Besonders gelungen sind die Boss-Kämpfe, die oft mehrere Phasen durchlaufen und dich zwingen, deine Strategie anzupassen.

Die Erkundung der Open World ist ein weiteres Highlight. Die Living Lands bieten eine beeindruckende landschaftliche Vielfalt – von dichten Dschungeln über vulkanische Ebenen bis hin zu verschneiten Gebirgszügen. Im Gegensatz zu vielen modernen Open-World-Spielen ist die Karte nicht übermäßig groß, dafür aber dicht gepackt mit interessanten Orten und Begegnungen. Fast hinter jeder Ecke wartet eine Nebenquest, ein versteckter Schatz oder ein kleines Abenteuer.

Das Crafting-System ist solide, wenn auch nicht revolutionär. Du sammelst Ressourcen, erforschst Rezepte und stellst Tränke, Waffen und Rüstungen her. Besonders die Verzauberungen, die deiner Ausrüstung einzigartige Eigenschaften verleihen, bieten viel Raum für Experimente und Anpassungen.

Technische Umsetzung: Grafik, Sound und Performance

Grafisch bewegt sich Avowed auf einem hohen Niveau. Die Unreal Engine 5 sorgt für beeindruckende Lichteffekte und detaillierte Umgebungen. Besonders die Wettereffekte haben es mir angetan – wenn Regenwolken aufziehen, die Sonne durch die Baumkronen bricht oder Nebelschwaden über einen Sumpf wabern, entsteht eine dichte Atmosphäre, die zum Erkunden einlädt.

Avowed ist für PC, Xbox Series X|S und PlayStation 5 erhältlich. Im Vergleich zwischen den Versionen bietet der PC mit entsprechender Hardware die beste Grafik, während die Xbox Series X und PS5 sehr ähnliche Leistung zeigen. Auf der Xbox Series X läuft das Spiel mit stabilen 60 FPS im Performance-Modus und mit erhöhter Grafikqualität bei 30 FPS im Qualitätsmodus. Die PlayStation 5 Version steht dem in nichts nach, während die Xbox Series S mit reduzierter Auflösung und vereinzelt weniger stabilen Framerates arbeitet. Insgesamt hat Obsidian eine beeindruckende technische Umsetzung für alle Current-Gen-Konsolen geliefert.

Die Charaktermodelle sind ebenfalls gut gelungen, wenn auch nicht ganz auf dem Niveau eines God of War oder The Last of Us. Die Gesichtsanimationen während der Dialoge könnten etwas ausdrucksstärker sein, was manchmal die Immersion stört.

Der Sound ist durchweg exzellent. Die Hintergrundmusik passt sich dynamisch den Situationen an und unterstreicht perfekt die epischen und ruhigen Momente. Die Synchronsprecher leisten hervorragende Arbeit und hauchen den Charakteren Leben ein. Besonders beeindruckend ist die Soundkulisse der verschiedenen Umgebungen – vom Knacken des Unterholzes bis zum entfernten Kreischen exotischer Vögel fühlt sich jeder Ort lebendig an.

Die Performance auf aktueller Hardware ist größtenteils stabil. Auf meinem System (RTX 4070, Ryzen 7 5800X) lief das Spiel in 1440p mit hohen Einstellungen meist flüssig mit 60+ FPS. In dicht besiedelten Gebieten oder während intensiver Magie-Gefechte kam es gelegentlich zu Framerate-Einbrüchen, die aber durch einige Einstellungsanpassungen minimiert werden konnten.

Leider gibt es auch einige technische Probleme, die den Spielspaß trüben können. Gelegentliche Abstürze, hängenbleibende Ladebildschirme und einige Quests, die sich nicht abschließen lassen, zeigen, dass Obsidian noch Nacharbeit leisten muss. Ein Day-One-Patch hat bereits einige dieser Probleme behoben, aber es bleibt zu hoffen, dass weitere Updates folgen werden.

Stärken und Schwächen im Überblick

Was mir besonders gefallen hat:

  • Die dichte, lebendige Welt voller interessanter Orte und Geheimnisse
  • Das flexible Klassensystem mit vielen Kombinationsmöglichkeiten
  • Die gut geschriebenen Charaktere und Dialoge
  • Die moralisch komplexen Entscheidungen mit spürbaren Konsequenzen
  • Die beeindruckende audiovisuelle Präsentation

Was mich gestört hat:

  • Technische Probleme und gelegentliche Bugs
  • Einige repetitive Nebenquests vom Typ "Sammle X, töte Y"
  • Die KI der Begleiter, die in komplexen Kampfsituationen manchmal überfordert wirkt
  • Das Inventarsystem könnte übersichtlicher sein
  • Lange Ladezeiten beim Schnellreisen, selbst auf SSDs

Fazit: Lohnt sich Avowed?

Nach über 60 Stunden in den Living Lands kann ich Avowed jedem Fantasy-RPG-Fan wärmstens empfehlen. Trotz einiger technischer Schwächen und kleinerer Designprobleme bietet Obsidians neues Abenteuer eine faszinierende Welt, spannende Quests und ein befriedigendes Spielsystem, das dich dutzende Stunden beschäftigen wird.

Mit einer Spielzeit von etwa 25-30 Stunden für die Hauptgeschichte und weiteren 30-40 Stunden für Nebenquests bekommst du viel Inhalt für dein Geld. Die verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten und Klassenbuilds sorgen zudem für einen hohen Wiederspielwert.

Wenn du komplexe Rollenspiele mit tiefgründigen Charakteren und einer lebendigen Welt liebst, wirst du mit Avowed deinen Spaß haben. Falls du eher auf Action-lastige Spiele stehst oder dich technische Probleme zu sehr stören, solltest du vielleicht warten, bis einige Patches erschienen sind.

Empfehlung: Kaufen – Obsidian hat ein würdiges RPG geschaffen, das trotz kleiner Schwächen zu den besten Genre-Vertretern der letzten Jahre zählt. Die Living Lands warten darauf, von dir entdeckt zu werden!

Wertung: 8,5/10 – Ein faszinierendes Fantasy-Abenteuer mit kleinen Schönheitsfehlern.